Unter "Freiheitsgrad" versteht man in diesem Zusammenhang
jede Möglichkeit eines Moleküls, kinetische Energie aufzunehmen.
Dementsprechend gibt es Freiheitsgrade der Translation, der Rotation, und
der Schwingung. Jedes einzelne Molekül hat 3N Freiheitsgrade,
wobei N die Anzahl der Atome in diesem Molekül ist.
Diese Zahl bleibt auch bei Dissoziation in mehrere Fragmente erhalten,
allerdings ändert sich die Verteilung auf Translation, Rotation und
Schwingung dabei: ein einzelnes Molekül hat z. B. 3 Freiheitsgrade der
Translation, entsprechend den drei Richtungen im Raum. Bei Dissoziation
in zwei getrennte Moleküle hat dann jedes dieser Bruchstücke
die Möglichkeit, sich unabhängig vom anderen im Raum zu bewegen,
hat also für sich 3 Freiheitsgrade der
Translation; die Gesamtanzahl der Translationsfreiheitsgrade erhöht
sich dadurch auf 6. Auch die Gesamtanzahl
der Rotationsfreiheitsgrade erhöht sich in diesem Beispiel,
beide zu Lasten der Gesamtanzahl der Schwingungsfreiheitsgrade, die
zurückgehen muss um die Gesamtsumme von 3N konstant
zu halten.
Die Summe von 3N Freiheitsgraden ist durch die Totaldissoziation
in N einzelne Atome leicht zu erklären: jedes dieser
N Atome hat dann 3 Freiheitsgrade der Translation,
aber keine Möglichkeit der Rotation oder Schwingung, denn das sind
Bewegungsformen, die eine Bindung von Atomen zu Molekülen voraussetzen.
Die Gesamtanzahl von 3N Freiheitsgraden verteilt sich wie
folgt:
bei nicht-linearen Molekülen gibt es
3 Freiheitsgrade der Translation,
3 Freiheitsgrade der Rotation und
3N-6 Freiheitsgrade der Schwingung;
bei linearen Molekülen gibt es
3 Freiheitsgrade der Translation,
2 Freiheitsgrade der Rotation und
3N-5 Freiheitsgrade der Schwingung.
Zweiatomige Moleküle
sind immer linear, haben daher 3 Translationsfreiheitsgrade
(entsprechend den 3 Richtungen im Raum), 2 Rotationsfreiheitsgrade
(jeweils senkrecht zur Bindungsachse) und einen Schwingungsfreiheitsgrad
(entlang der Bindungsachse).
Dreiatomige Moleküle
können linear oder nicht-linear, symmetrisch oder asymmetrisch sein.
Nicht-lineare haben 3 Translationsfreiheitsgrade
(entsprechend den 3 Richtungen im Raum), 3 Rotationsfreiheitsgrade
(ebenfalls entsprechend den 3 Raumrichtungen) und
3N-6 = 3 Schwingungsfreiheitsgrade
(im asymmetrischen Fall ABC je eine Streckschwingung
pro Bindung und eine Knickschwingung, bei der sich der Winkel A-B-C
ändert; die Frequenz der Knickschwingung ist meist geringer
als die der Streckschwingungen).
Lineare haben 3 Translationsfreiheitsgrade
(entsprechend den 3 Richtungen im Raum), 2 Rotationsfreiheitsgrade
(jeweils senkrecht zur Molekülachse) und
3N-5 = 4 Schwingungsfreiheitsgrade
(im asymmetrischen Fall ABC
je eine Streckschwingung
pro Bindung und zwei Knickschwingungen, bei denen sich der Winkel A-B-C
in zwei aufeinander senkrechten Ebenen ändert; diese beiden
Knickschwingungen sind, falls kein äußeres Feld vorliegt,
entartet,
werden also bei der gleichen Frequenz angeregt).
Symmetrische Moleküle A2B weisen keine getrennten
Streckschwingungen der beiden Bindungen auf, sondern gekoppelte Bewegungen:
eine symmetrische Streck- oder Valenzschwingung, bei der beide Bindungen
gleichzeitig länger (und im Gegentakt kürzer) werden, und eine
asymmetrische Valenzschwingung, bei der eine Bindung länger wird,
während gleichzeitig die andere kürzer wird. Die asymmetrische
Kombination hat stets eine höhere Schwingungsfrequenz als die
symmetrische.
Für Moleküle mit mehr als drei Atomen
gelten analoge Überlegungen, wobei die Zahl der Schwingungsbewegungen
stark zunimmt, da jetzt auch Torsionsschwingungen, Bewegungen von Fragmenten
relativ zueinander, etc. auftreten.
ist ferner die Zuordnung der
Schwingungsbewegungen zu irreduziblen Darstellungen der jeweiligen
Punktgruppe von Bedeutung, da im IR-Spektrum nur jene Anregungen
beobachtbar sind, die Schwingungsbewegung entsprechen, die sich wie
ein Vektor oder eine Komponente eines Vektors (x, y
oder z) verhalten - das für
die Auswahlregel entscheidende Kriterium
ist das Dipolmoment, eine vektorielle Größe.
Im Raman-Spektrum sind dagegen jene Anregungen
beobachtbar, deren Schwingungsbewegung sich wie
ein Tensor oder eine Komponente eines Tensors
(x², y², z²,
xy, xz oder yz)
verhalten - das für
die Auswahlregel entscheidende Kriterium ist hier die Polarisierbarkeit, eine
tensorielle Größe.
Diese Einschränkungen erschweren einerseits die experimentelle
Charakterisierung von hochsymmetrischen Molekülen; für
C60 (Ikosaedersymmetrie) beispielsweise führen die insgesamt
174 Schwingungsmoden nur zu 4 IR-Banden!
Andrerseits erlaubt die je nach Symmetrie verschiedene gleichzeitige
oder wechselweise Sichtbarkeit in IR- und Raman-Spektren meist eine
eindeutige Bestimmung der Molekülgestalt.